Rezension Priv.-Doz. Mag. DDr. Wiesflecker MAS, LL. M., MA, Bereichsleiter am stmk. Landesarchiv in Graz

 

 

Rezension

 

Arno Kerschbaumer, Nobilitierungen unter der Regentschaft Kaiser Karl I./IV. Károlyi király (1916–1921). Graz 2016, 324 S. ISBN 978-3- 9504153-1-5. Preis: € 30.–

Grundlegende Forschungen zur Geschichte des Adels und der habsburgischen Hofgesellschaft der letzten Jahrzehnte der Donaumonarchie sind in Österreich – im Unterschied zu unseren Nachbarländern – nach wie vor ein Desiderat der Forschung. Die Prager Karls-Universität kann auf mehrere Projekte und international ausgerichtete Tagungen und auf die grundlegenden Studien des in Prag tätigen Historikers Jan Županič verweisen. Slowenien besitzt etwa mit Miha Preinfalk einen Historiker und Genealogen, der u. a. mit seiner inzwischen schon aus mehreren Teilbänden bestehenden Bandreihe zur Genealogie und Geschichte von Adelsfamilien im slowenischen Raum ebenfalls Grundlagenarbeit geleistet hat. In der österreichischen Forschung wurde die Geschichte des Adels im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert in mehreren universitären Abschlussarbeiten thematisiert (Fessen 1974, Göbl 1992, Wiesflecker 1992, Binder-Krieglstein 1998).

Einige dieser Autoren haben sich der Thematik in der Folge immer wieder angenommen. Zu nennen sind darüber hinaus auch die Publikationen, die u. a. Hannes Stekl, Ernst Bruckmüller, Marija Wakounig oder Lothar Höbelt und – mit Blick auf einen breiteren, nicht ausschließlich wissenschaftlichen Rezipientenkreis – Gudula Walterskirchen vorgelegt haben. Grundlegende Erkenntnisse zum (nicht nur) altösterreichischen Adelsrecht, insbesondere aber eine beeindruckende Zusammenstellung genealogischer Quellen für den habsburgischen Adel des 19. und 20. Jahrhunderts verdanken wir Georg Frölichsthal.

Einen ersten Überblick über die unter Kaiser Franz Joseph und seinem Nachfolger Kaiser Karl erfolgten Standeserhöhungen und Gnadenakte bieten das 1928 von Karl Friedrich von Frank herausgegebene altösterreichische Adelslexikon, das gegen Ende  der 1980er-Jahre durch Peter Frank-Döfering eine überarbeitete Neuausgabe erfahren hat.

Einzeluntersuchungen zur österreichischen Nobilitierungspraxis haben immer wieder gezeigt, dass Fragen zu Nobilitierungen am Ende der Monarchie offen geblieben sind, vor allem zu den kaiserlichen und/oder königlichen Gnadenakten im zeitlichen Umfeld des 11. November 1918, des Exils und der Restaurationsversuche in Ungarn.

Diese Lücke schließt nun Arno Kerschbaumer mit seiner Veröffentlichung, in der er erstmals die Nobilitierungen des letzten habsburgischen Regenten als Kaiser von Österreich und König von Ungarn erfasst. Die Arbeit beschränkt sich jedoch nicht allein auf eine chronologische Aufstellung für beide Reichshälften, sondern führt vorab in das altösterreichische Adelsrecht ein, thematisiert dabei unterschiedliche Aspekte (u. a. systemmäßiger Offiziersadel, Adelserwerb aufgrund des Militär-Maria-Theresien-Ordens, Adelsverleihung ohne Diplomausfertigung, Pläne für einen systemmäßigen Ritterstand für Generale, Nobilitierungen von Offizierswitwen) und geht auch auf die Adelsverleihungen und Standeserhöhungen in den Novembertagen des Jahres 1918 und in den Wochen und Monaten danach ein, die der letzte Kaiser/König vorgenommen hat.

An diese instruktive und auch von ihrem Umfang her ausgewogene Einführung in das differenzierte System der altösterreichischen Nobilitierungspraxis schließt das Verzeichnis der kaiserlichen bzw. königlichen Gnadenakte für die beiden Hälften der Donaumonarchie an. Der Autor bietet dabei nicht nur die Kerndaten des (oder auch der) Adelswerber/in/s, indem er Angaben zur sog. Allerhöchsten Entschließung und der Ausfertigung des Diploms, eventueller Prädikate usw. macht, sondern bietet in den Anmerkungen dazu eine Reihe weiterführender Hinweise zu Person, Familie oder Genealogie.

Von besonderem Interesse sind auch jene Zusammenstellungen, die der Autor dem Verzeichnis der cis- und transleithanischen Nobilitierungen folgen lässt, wie die der im Jahr 1918 unerledigt gebliebenen Gnadenakte, darunter die unterbliebene Nobilitierung des steirischen Lederindustriellen Karl Rieckh, des Grazer Großkaufmanns Andreas Veitschegger oder des Grazer Rechtsanwalts Ernst Schuster, aber auch für den Automobilpionier Ferdinand Porsche. Auf diese folgt eine Übersicht über Verleihungen des Militär-Maria-Theresien-Ordens im Jahr 1921 sowie über jene Adelsverleihungen, die der Monarch nach dem 11. November 1918 bis in die Zeit der ungarischen Restaurationsversuche vorgenommen hat.

Arno Kerschbaumer verdanken wir mit dieser Publikation, die im Übrigen ohne institutionelle Förderung entstanden und aufgelegt wurde, nicht nur eine erstmalige Gesamtübersicht der unter Kaiser und König Karl erfolgten Nobilitierungen und Standeserhöhungen, sondern auch wichtige Hinweise auf zahlreiche, von der Forschung bisher nicht wirklich beachtete Quellenbestände, die – wie die Arbeit selbst – reiches Material bieten, sowohl zur grundlegenden Analyse wie zur biographischen Konkretisierung von Akteuren und Statisten der „Welt von gestern“.

Peter Wiesflecker

Erschienen in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, Nr. 107 (2016).

 

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